Das Ziel einer auditiven virtuellen Umgebung (engl. „auditory virtual environment“, AVE) besteht darin, beim menschlichen Hörer auditive Wahrnehmungen hervorzurufen, die simulierten akustischen Szenarien entsprechen. Zu diesem Zweck berechnet der AVE-Generator binaurale Signale, die als sehr plausibel oder sogar natürlich wahrgenommen werden. Die Hörer sollten ein räumliches Gefühl für den virtuellen Raum bekommen und in der Lage sein, ihre Bewegung in diesem Raum sowie die Bewegung der Schallquellen wahrzunehmen.
Je nach Anwendung kann das System, das die AVE erzeugt, eine Vielzahl von Funktionen implementieren: Der Benutzer kann nur ein passiver Empfänger sein oder z.B. mit der Umgebung interagieren. Darüber hinaus kann das Designziel darin bestehen, die auditiven Wahrnehmungen in einer gegebenen realen Umgebung genau abzubilden oder vorherzusagen, oder es kann nicht-realistische Elemente wie eine von phsyikalischen Gesetzmäßigkeiten abweichende Schallgeschwindigkeit enthalten. AVEs eignen sich daher hervorragend für die Durchführung von Hörexperimenten unter unterschiedlichen und gut kontrollierbaren Bedingungen.
Ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung von AVEs ist die Unterscheidung zwischen dem Hörereignis im Wahrnehmungsbereich und dem Schallereignis im physikalischen Bereich und die Beschreibung der Beziehung zwischen beiden in Form von psychophysischen Funktionen. Darüber hinaus muss bei ihrer Gestaltung berücksichtigt werden, dass die Wahrnehmung des Hörers nicht nur von äußeren Stimuli abhängt. Sie wird zum Beispiel auch von der Hörerfahrung, der Aufmerksamkeit und den Erwartungen des Hörers beeinflusst. Auch cross-modale Effekte müssen berücksichtigt werden (Blauert 2005). Zu diesem Zweck kann die AVE mit visuellen und haptischen Modalitäten kombiniert werden.